Hintergrund
„Handle stets so, dass die Anzahl der Möglichkeiten wächst.“ (Heinz von Förster)1: Baue stets so, dass mehr Möglichkeiten entstehen – nutzungsoffen, anwendungstolerant, reparaturfreundlich, …
BauZ! 2019: Ein Gespräch über zukunftsfähiges Weiterbauen und Renovieren im Bestand. BauZ! ist ein Vernetzungstreffen der Branche mit Investoren, Planerinnen, Fachplanern, Herstellern und Ausführenden:
Plenarvorträge, eingebettet in Podiumsgespräche mit weiteren Vortragenden und Ausstellern; der Kongress an den Runden Tischen mit vertiefenden Vorträgen im kleineren Kreis; Gespräche im Foyer in den Pausen, Empfänge und eine Exkursion zu Sanierungsprojekten in Wien.
Vier Gesichtspunkte
1 Eine Nutzung ins Leben rufen!
Der Gesichtspunkt der Investoren, Immobilienentwickler, Bauherren und Baugruppen (Partizipation der späteren NutzerInnen als Bauherren). Das Gebäude als wirtschaftliches Objekt.
Zum Beispiel: (Wegweisende Projekte zeigen!)
- Leistbarkeit als aktueller Diskursbegriff: billiges Bauen versus Grundstückskosten
- Kostenexplosion (Grundstückspreise, Konjunktur)
- Trend zu kleineren Wohnungen
- Sozialer Wohnbau
- Qualität: Kosten-Nutzen-Betrachtungen für Nearly-Zero-Energy-Buildings (NZEBs)
- Typologie: Neue Stadthäuser, flexibel, Erdgeschoßzonen
Verwertung:
- Wohnungseigentum oder Mietmodelle
- Wohnen-Arbeiten-Mix, Co-Housing, Co-Working
- Umwidmung – Büros in Wohnungen
- Mietrecht
Wirkung:
- Sanierung als Turbo für Quartiersentwicklung, Nachverdichtung. (Die Lage als alles überwölbendes Kriterium – aber jedes sanierte Gebäude, jeder sanierte Straßen- und Freiraum, jedes öffentliche Verkehrsmittel trägt zur Adressbildung auch der Umgebung bei.)
- Mikroquartiere – Sanieren und Verdichten
- Regulierung: Städtebauliche Verträge; Österreichischer Klimaschutzplan #mission2030 – Die Klima- und Energiestrategie der österr. Bundesregierung
2 Funktionalität und Schönheit! – Das Gebäude planen
Der Gesichtspunkt der Gestalter: Architektur, Stadtplanung, Grünraum- und Freiraumplanung. Das Gebäude als funktionales und ästhetisches Objekt.
Zum Beispiel: (Wegweisende Projekte zeigen!)
- Identität des Ortes
- Städtische Nachverdichtung
- Sanieren für 2050 (EU Gebäuderichtlinie 2010/31/EU); OIB-Dokument zur Definition des Niedrigstenergiegebäudes und zur Festlegung von Zwischenzielen in einem „Nationalen Plan“ gemäß Art. 9 (3) zu 2010/31/EU.
- 2000 W-Sanierung, Quartiersentwicklung
- Wohin geht der Neue Wohnbau? (Flexiblilität, Resilienz, Demontierbarkeit, Soziales)
- Flexible Grundrisse – Nutzungsneutralität
- Fassadensysteme für die Sanierung mit integrierter Gebäudetechnik
- Rückbaubare Konstruktionen
- Grün – am Gebäude, auf dem Gebäude, im Freiraum
- Nutzerinnen-Bedürfnisse: Wilde Ecken! Nicht zu Tode renovieren! Gegen Grün hat niemand etwas! Kinder!
- Integrierte Planung: Facility Manager sitzen schon in der Planung dabei und artikulieren ihre Anliegen.
- Digitalisiertes Planen (BIM) im Bestand („Digitaler Zwilling“ versus „Digitaler Lebenspartner“: Jemand, mit dem ich zurechtkommen muss, nicht jemand, der mir gleicht.). Qualität der Kommunikation unter den Akteuren entlang der Produktionskette.
- Bauordnungen, Bauordnungsnovellen; Denkmalschutz; Normen
3 Das Gebäude wird statisch und bauphysikalisch berechnet, simuliert und später im Gebäudemonitoring vermessen.
Der Gesichtspunkt der Fachplaner Bauphysik und Gebäudetechnik. Das Gebäude als physikalisches Objekt.
Zum Beispiel: (Wegweisende Projekte zeigen!)
- Komfort (Sommertauglichkeit, Schallschutz, Luftfeuchte, Innenraumluftqualität)
- Energieeffizienz der Gebäudehülle, Energiegewinnung am Gebäude
- Gebäudetechnik: Nutzen vereinfachter Konzepte. Sanierungen als Faktor im Lebenszyklus.
- Sonnenschutz – Spannungsfeld Tageslichtversorgung, Haltbarkeit/Kosten
- Innendämmung
- Gebäudemonitoring, Regulation im Gebäudebetrieb, Smart Home-Nachrüstung
- Ökologische Gebäudebewertung (Kriterienkataloge für Sanierungen)
4 Das Gebäude wird realisiert – und später zurückgebaut
Die Materialperspektive. Gesichtspunkte der Baustoff- und Komponentenhersteller, der Ausführenden und der Gebäudebetreiber: Das Gebäude als materielles Objekt.
Zum Beispiel: (Wegweisende Produkte und Dienstleistungen zeigen!)
Hersteller:
- Innovative Baustoffe für die Sanierung
- Ökologische Baustoffe für die Sanierung
- Ökologie und Entsorgung; Kreislaufwirtschaft (Circular Economy)
- Rohstoffe in der Stadt / städtischer Bergbau (urban mining): Der Abfall als Sekundärrohstoff: städtische Strukturen als potentielle Rohstofflieferanten. Recyling- und Wiedergewinnungstechniken, Rohstofflagerstätten, Ressourcenkataster zur Verortung der potentiellen Rohstoffe sowie innovatives Produkt- und Gebäudedesign.
- Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft“ der Europäischen Kommission (EU Action Plan for the Circular Economy, 2015)
Ausführende:
- Kooperation im – digitalisierten – Bauprozess
Gebäudebetrieb:
- Reinigung, Instandhaltung, Pflege Grünflächen
- Schäden, Reparaturfreundlichkeit, Lebensdauern, Wartungsarmut… („Was kostet es uns tatsächlich?“); zB. Algenbefall auf Außenputz, chemische Reinigung, Boden- und Gewässerschutz; zB Undichtigkeiten in aktivierten Bauteilen; zB. Smart Home, Lieferbarkeit von Ersatzteilen nach einigen Jahren, bei raschem technischen Fortschritt.
1Heinz v. Försters „Ethischer Imperativ“ Aus: Die ZEIT 1998/04, Interview von Bernhard Pörksen mit H.v. F.